Wohnungsleerstand in Niedersachsen: Erklärungsansätze für die regionale Verteilung

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Leer stehende Wohnungen sind in Niedersachsen regional unterschiedlich verteilt. Im Folgenden wird untersucht, ob sich Zusammenhänge zwischen Leerstand und der Strukturstärke von Regionen feststellen lassen. Dafür werden die Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszählung mit einer Clusteranalyse der niedersächsischen Einheits- und Samtgemeinden nach ausgewählten Strukturindikatoren abgeglichen.

Hintergrund zur Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ)

Im Rahmen des Zensus 2022 fand mit der GWZ eine Vollerhebung an allen Anschriften mit Wohnraum zum Stichtag 15. Mai 2022 statt. Die Auskunftspflichtigen mussten dabei auch Angaben zur Nutzung der Wohnungen machen. Aus den Ergebnissen lassen sich umfangreiche Informationen zur Verteilung und zu den Eigenschaften leerstehenden Wohnraums ableiten, die bereits in zwei Beiträgen präsentiert wurden:
  • Wohnungsleerstand in Niedersachsen: Ergebnisse der GWZ 2022
  • Wohnungsleerstand in Niedersachsen: Welche Wohnungen sind ungenutzt?

Hintergrund zur Clusteranalyse anhand von Strukturindikatoren

Das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) hat 2024 eine Aktualisierung einer Clusteranalyse der niedersächsischen Einheits- und Samtgemeinden nach ausgewählten Strukturindikatoren durchgeführt. Die Methodik und die zugrunde liegenden Indikatoren wurden im Online-Magazin des LSN ausführlich beschrieben. Dabei werden „Gemeinden mit ähnlichen Eigenschaften identifiziert, zu einem Cluster zusammengefasst und es wird herausgestellt, wie sich diese Gruppen von Einheits- und Samtgemeinden untereinander unterscheiden“ (a. a. O.). Aus der Analyse gingen schließlich 4 Cluster hervor. Einige der wesentlichen beschreibenden Eigenschaften finden sich nachstehend in Kurzform:

Die Grafik illustriert die Clusteranalyse der niedersächsischen Einheits- und Samtgemeinden nach ausgewählten Strukturindikatoren des LSN 2024. Die 4 Cluster werden bildlich dargestellt. Cluster 1: „Überwiegend ländliche Gebiete in Ballungsräumen“ kennzeichnet sich durch eine eher junge Bevölkerung, geringe Quote an Mindestsicherung und höchste Betreuungsquote von Unter-3-Jährigen in Kindertagesstätten. Cluster 2: „Überwiegend ländliche strukturschwache Gebiete“ kennzeichnet sich durch mit der ältesten Bevölkerung, geringe Wirtschaftskraft und geringer Wohlstand. Cluster 3: „Überwiegend mittlere und große Städte“ kennzeichnet sich durch viele Arbeitsplätze, unterdurchschnittliches Einkommen und höhere Quote an Mindestsicherung. Cluster 4: „Überwiegend ländliche strukturstarke Gebiete“ kennzeichnet sich durch ein hohe Wirtschaftskraft, geringe Quote an Mindestsicherung und leicht überdurchschnittliches Einkommen.
A1 Hintergrund zur Clusteranalyse anhand von Strukturindikatoren

Zusammenhänge auf regionaler Ebene zu vermuten

Die nachstehende Abbildung A1 zeigt die Zuordnung der Einheits- und Samtgemeinden zu den Clustern und die Leerstandsquote auf der gleichen regionalen Ebene. Dabei gilt: Je dunkler die Farbgebung der einzelnen Clusterzuordnung ist, umso höher ist die Leerstandsquote der jeweiligen Gebietseinheit. Bei der Betrachtung fallen bestimmte räumliche Konzentrationen ins Auge, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Die Landkarte zeigt die Cluster der Einheits- und Samtgemeinden in Niedersachsen nach Strukturindikatoren sowie deren Leerstandsquote am 15.Mai 2022. 100 der Einheits- und Samtgemeinden wurden Cluster 1 („Überwiegend ländliche Gebiete in Ballungsräumen“) zugeordnet. Davon haben 37 eine Leerstandsquote unter 3%, 40 eine Leerstandsquote von 3 bis unter 4%, 18 eine Leerstandsquote von 4 bis unter 5% und 5 eine Leerstandsquote von 5% und mehr. 174 der Einheits- und Samtgemeinden wurden Cluster 2 („Überwiegend ländliche strukturschwache Gebiete“) zugeordnet. Davon haben 29 eine Leerstandsquote unter 3%, 50 eine Leerstandsquote von 3 bis unter 4%, 33 eine Leerstandsquote von 4 bis unter 5% und 62 eine Leerstandsquote von 5% und mehr. 58 der Einheits- und Samtgemeinden wurden Cluster 3 („Überwiegend mittlere und große Städte“) zugeordnet. Davon haben 7 eine Leerstandsquote unter 3%, 22 eine Leerstandsquote von 3 bis unter 4%, 8 eine Leerstandsquote von 4 bis unter 5% und 21 eine Leerstandsquote von 5% und mehr. 71 der Einheits- und Samtgemeinden wurden Cluster 4 („Überwiegend ländliche strukturstarke Gebiete“) zugeordnet. Davon haben 36 eine Leerstandsquote unter 3%, 12 eine Leerstandsquote von 3 bis unter 4%, 8 eine Leerstandsquote von 4 bis unter 5% und 15 eine Leerstandsquote von 5% und mehr.
A2 Cluster der Einheits- und Samtgemeinden in Niedersachsen nach Strukturindikatoren sowie deren Leerstandsquote am 15. Mai 2022

Wenig Leerstand in überwiegend ländlichen Gebieten in Ballungsräumen (Cluster 1)

Blick auf die Seen, die Leine und Dörfer in der nähe von Sarstedt.
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Von den 100 Einheits- und Samtgemeinden, die dem Cluster 1 zugeordnet wurden, wiesen am Zensusstichtag 37% eine Leerstandsquote von unter 3% auf. Ein Wert von 3% gilt üblicherweise als typisch für einen funktionierenden Wohnungsmarkt mit ausreichend Fluktuationsreserve für Umzüge. Bei weiteren 40% der Gebietseinheiten lag der Anteil ungenutzten Wohnraums zwischen 3% und 4%. Damit hatten mehr als drei Viertel der Verwaltungseinheiten aus diesem Cluster eine Leerstandsquote unterhalb des Landeswertes von 4,1%.

Regional fällt hierbei besonders das südliche Umland Hamburgs auf. Im Landkreis Harburg und den angrenzenden Gemeinden der Landkreise Stade und Lüneburg zeigt die Abbildung A1 ein längeres Band an Gemeinden, die dem Cluster 1 zugeordnet werden. Gleichzeitig waren die Leerstandsquoten in dieser Region gering. Laut der Clusteranalyse 2024 des LSN kennzeichnet sich Cluster 1 u. a. durch eine überdurchschnittlich hohe Geburtenrate und die höchste U3-Besuchsquote von Kindertagesstätten. Nach diesen Erkenntnissen liegt es nahe, dass hier insbesondere viele in Hamburg erwerbstätige Eltern mit ihren Kindern ein Zuhause gefunden haben, sodass es sich um Auspendelgemeinden handelt. Dadurch dürfte ein höherer Druck auf den Wohnungsmarkt bestehen, der dazu führt, dass auch eher unattraktive, schlechter ausgestattete Gebäude eine Nachnutzung erfahren, weil es ausreichend Interessentinnen und Interessenten gibt. Wie in den bisherigen Artikeln der Serie zum leerstehenden Wohnraum ausgeführt, sind leerstehende Objekte im Vergleich zum Gesamtbestand schlechter ausgestattet. Weiterhin dürften Objekte, die im Zuge von Erbschaften oder aus anderen Gründen verfügbar werden, schneller auf dem Markt angeboten werden, da ein Verkauf oder eine Vermietung lohnenswerter ist, als in anderen Regionen.

Ähnlichkeiten und Unterschiede anderer Regionen

Diese Erklärungsansätze sind sicherlich übertragbar auf die Region Wolfsburg-Braunschweig-Peine und den südlichen Landkreis Gifhorn. Hier fielen ebenfalls geringere Leerstandsquoten mit einer Zuordnung zu Cluster 1 zusammen. In den Großräumen Osnabrück und Oldenburg hingegen waren die Umlandgemeinden nicht durchgängig Cluster 1 zuzuordnen. Gleichzeitig wiesen sie auch nicht alle geringere Leerstandsquoten auf, sodass die genannten Erklärungsansätze hier nur bedingt greifen.

Überwiegend ländliche strukturschwache Gebiete (Cluster 2) mit uneinheitlichem Bild

Landschaft im Weserbergland - Hameln
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Der Cluster 2 umfasste mit 174 die meisten Einheits- und Samtgemeinden. Die Verwaltungseinheiten waren flächendeckend über das ganze Land verteilt. Rund 45% von ihnen wiesen am 15. Mai 2022 eine Leerstandsquote von unter 4% auf, gleichzeitig hatten aber auch 36% der Gebietseinheiten höhere Leerstandsquoten von 5% und mehr.

Es lassen sich gewisse räumliche Konzentrationen von Einheits- und Samtgemeinden dieses Clusters feststellen, in denen gleichzeitig auch die Leerstandsquoten höher ausfielen: Im Süden Niedersachsens zwischen Hildesheim und Göttingen und im Osten im Landkreis Uelzen und den umliegenden Gemeinden der angrenzenden Landkreise.

Der Cluster wird unter anderem durch niedrigere Wirtschaftskraft und geringeren Wohlstand als im Durchschnitt Niedersachsens beschrieben. Gleichzeitig war die Bevölkerung hier eher älter. Beides zusammengenommen kann als Erklärung für höheren Leerstand dienen, da möglicherweise Investitionen in den Wohnraum ausbleiben. Zudem ist es vermutlich weniger lukrativ, freiwerdende Gebäude und Wohnungen schnell dem Markt zuzuführen, da es an Interessentinnen und Interessenten fehlt, die bereit sind, auch schlechter ausgestattete, ältere Objekte zu erwerben.

Vergleich mit dem Norden

Im Norden Niedersachsens gibt es im Landkreis Cuxhaven und den Randbereichen der Landkreise Osterholz, Rotenburg und Stade wie auch in Ostfriesland gleichwohl größere Konzentrationen von Einheits- und Samtgemeinden des Clusters 2, in denen die Leerstandsquoten durchschnittlich ausfielen bzw. zum Teil sogar eher gering waren. Hier greifen die genannten Erklärungsansätze also nicht.

Es bleibt damit festzuhalten, dass das Bild der Verwaltungseinheiten in diesem Cluster bezogen auf die Leerstandsquoten heterogen ist und nur teilweise Erklärungen für ungenutzten Wohnraum durch die Strukturindikatoren gefunden werden können.

Heterogenes Bild in überwiegend mittleren und großen Städten (Cluster 3)

Hannover Skyline zur Blauen Stunde im Herbst
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Der Cluster mit der kleinsten Zahl an Verwaltungseinheiten ist Cluster 3. Die 58 „überwiegend mittleren und großen Städte“ waren punktartig über das Land verteilt, größere zusammenhängende regionale Konzentrationen gab es im Raum Hannover-Braunschweig sowie im Dreieck Bückeburg-Stadthagen-Rinteln im Landkreis Schaumburg.

Für die Leerstandsquote lassen sich bei diesem Cluster kaum generelle Aussagen treffen. Etwa die Hälfte der Verwaltungseinheiten wies Leerstandsquoten unter 4% auf, dafür hatten aber auch 36,2% der Städte Leerstandsquoten von 5% und mehr. Zu diesen gehörten unter anderem die genannten Gebietseinheiten im Landkreis Schaumburg.

Unterdurchschnittliches Einkommen

Wie die Clusteranalyse zeigt, war das Einkommen in 46 der 58 Städte und Gemeinden unterdurchschnittlich bis stark unterdurchschnittlich und deutlich öfter waren Menschen von Mindestsicherungsleistungen abhängig. Beides trägt dazu bei, dass ein Erwerb von Immobilien oder ein Umzug in eine andere Mietwohnung für die betroffenen Personen wirtschaftlich schwierig darzustellen ist, sodass potenziell Wohnungen häufiger leer standen. Das könnten Erklärungsansätze für die größeren Leerstandsquoten im Cluster 3 trotz des hohen Arbeitsplatzbesatzes und der größeren Wirtschaftskraft (gemessen an den Gewerbesteuereinnahmen) sein. Für die Städte mit niedrigen oder durchschnittlichen Leerstandsquoten greifen diese Ansätze jedoch nicht.

Insgesamt ist das Bild bei Cluster 3 damit ähnlich heterogen wie bei Cluster 2. Die Strukturindikatoren können möglicherweise auf lokaler Ebene zur Erklärung des Leerstands beitragen, allgemeingültige Aussagen zu Zusammenhängen drängen sich bei den Gebietseinheiten dieses Clusters jedoch nicht auf.

Leerstand in überwiegend ländlichen strukturstarken Gebieten (Cluster 4) gering

Stadt Vechta in Niedersachsen aus der Luft
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Etwas mehr als die Hälfte der Einheits- und Samtgemeinden aus dem Cluster 4 wies eine Leerstandsquote von unter 3% auf. Viele dieser Verwaltungseinheiten wiesen also eher eine Wohnungsknappheit auf.

Regional stechen besonders das Emsland sowie weite Teile der Landkreise Vechta und Cloppenburg im westlichen Niedersachsen hervor. Hier waren sehr viele Gemeinden dem Cluster 4 zugehörig. Gleichzeitig waren hier die Leerstandsquoten geringer. Dies lässt sich vermutlich mit der größeren Wirtschaftskraft und den leicht überdurchschnittlichen Einkommen erklären: Wo mehr Geld zur Verfügung steht, werden auch mehr Immobilien erworben. Dadurch werden gleichzeitig auch schlechter ausgestattete Objekte attraktiv, die ggf. saniert werden können. Zudem ziehen Regionen mit stärkerer Wirtschaftskraft Menschen an, sie sind also durch Zuzüge geprägt.

Gleichzeitig ist die Bevölkerung in der Mehrzahl der Gemeinden dieses Clusters eher jung und die Geburtenrate die höchste im Vergleich der vier Cluster. Insgesamt trägt das dazu bei, dass weniger Wohnraum, sowohl als Eigentum als auch zur Miete, ungenutzt bleibt. Diese Annahmen dürften auch für das (weitere) Umland von Bremen, Oldenburg und Hannover gelten, wo einzelne Gebietseinheiten dem Cluster 4 zuzuordnen waren. Für in anderen Teilen Niedersachsens gelegene Gemeinden des Clusters 4 mit höheren Leerstandsquoten wie Langelsheim, Wittingen oder Südheide hingegen greifen diese Erklärungsansätze offenbar nicht.

Fazit

Es zeigt sich, dass die in der Clusteranalyse gewählten Strukturindikatoren Erklärungsansätze für geringeren oder höheren Leerstand liefern können, wenn regionale Konzentrationen auftreten. Dies gilt besonders, wenn die Leerstandsquoten gering ausfallen – wie im Umland Hamburgs und im westlichen Niedersachsen. Aber auch höherer Leerstand lässt sich, wie im Süden Niedersachsens, teilweise mithilfe der Strukturindikatoren aus der Clusteranalyse erklären.

Insgesamt sind die Zusammenhänge jedoch nur in Ansätzen vorhanden. Neben den Strukturindikatoren aus der Clusteranalyse sind z. B. auch die Eigenschaften des ungenutzten Wohnraums relevant. Zudem gilt es immer, im Rahmen einer konkreten raumbezogenen Analyse des Wohnungsleerstands lokale Besonderheiten zu berücksichtigen.

Weitere Daten und Informationen zum Thema:


Wohnungsleerstand in Niedersachsen Teil 1:

Wohnungsleerstand in Niedersachsen Teil 2: