
Eine untergebrachte wohnungslose Person in Niedersachsen war Ende Januar 2024 statistisch gesehen männlich, ca. 30 Jahre alt und hatte die ukrainische Staatsangehörigkeit. Zum Erhebungszeitpunkt war diese Person bereits seit 126 Wochen wohnungslos.
Dies ist nur ein Bild von Wohnungslosen, denn Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter.
Zentrale Bundesstatistik liefert Daten zur Wohnungslosigkeit
Im Zuge des im Jahr 2020 in Kraft getretenen Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG) wurde die zentrale Bundesstatistik untergebrachter wohnungsloser Personen eingeführt. Jährlich werden vom Statistischen Bundesamt Daten zu allen Wohnungslosen erfasst, die die Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar in Notschlafstellen, Wärmestuben, Wohnungsloseneinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen verbracht haben. Die Statistik liefert einen wichtigen Beitrag zu einer verbesserten Informationsgrundlage zum Thema „Wohnungslosigkeit“.
Es gibt viele verschiedene Formen von Wohnungslosigkeit. Nicht alle werden in der Statistik erfasst. Menschen, die ohne Unterkunft im öffentlichen Raum leben – wortwörtlich auf der Straße und unter Brücken – oder Menschen, die wegen fehlendem Wohnraum (übergangsweise) bei Freunden oder Familien unterkommen (sog. verdeckte Wohnungslosigkeit), sind nicht Teil der amtlichen Statistik. Einen Überblick über die methodischen Hintergründe finden Sie in dem Artikel „Die neue Statistik zu untergebrachten wohnungslosen Personen“.
Wohnungslose in Niedersachsen
Im Folgenden werden die vorliegenden Daten für Niedersachsen im dritten Jahr nach der Erhebungseinführung näher betrachtet. Zum Stichtag 31. Januar 2024 waren in Niedersachsen insgesamt 33.000 Kinder, Frauen und Männer wegen Wohnungslosigkeit untergebracht. Im Berichtsjahr 2022 wurden 10.860 Personen statistisch erfasst. Der Anstieg der Fallzahlen von 2022 zu 2024 ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Teil auf eine verbesserte Datenerfassung zurückzuführen.
Im Januar 2024 waren es 18.150 Männer (55%) und 14.735 Frauen (45%). Bei 115 Personen war (der meldenden Stelle) das Geschlecht nicht bekannt. Zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Statistik zum Stichtag 31. Januar 2022 lag der Anteil der Männer mit 62% (6.785 Personen) noch deutlicher über dem der untergebrachten weiblichen Wohnungslosen (37% bzw. 4.070 Personen).
Deutsche Wohnungslose in Niedersachsen älter als ausländische
Ein eingehenderer Blick in die Statistik deutet darauf hin, dass in der Erhebung Daten von Menschen mit sehr unterschiedlichen Schicksalen erfasst werden. Das eingangs skizzierte Bild eines „durchschnittlichen oder statistischen Wohnungslosen“, stellt sich anders dar, wenn man zwischen deutschen und nicht-deutschen untergebrachten wohnungslosen Personen unterscheidet.

Betrachtet man nur die Personengruppe mit deutscher Staatsangehörigkeit, ergibt sich Folgendes: Deutsche untergebrachte Wohnungslose waren in Niedersachsen statistisch gesehen ebenfalls männlich, allerdings mit durchschnittlich 44,2 Jahren deutlich älter. In der Regel handelt es sich um alleinstehende Männer und die Dauer der Unterbringung der Wohnungslosen beträgt bereits 180 Wochen (siehe A1.1). Dem gegenüber waren die untergebrachten Wohnungslosen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit im Durchschnitt gerade mal 28,2 Jahre alt und lebten seit 118 Wochen in einer entsprechenden Unterkunft (siehe A1.2).

Die Ergebnisse zu Wohnungslosen in Niedersachsen im Einzelnen
- Fast ein Drittel der untergebrachten Wohnungslosen in Niedersachsen waren Kinder und Jugendliche. Insgesamt waren dies 10.465 Minderjährige. Zusammen mit den jungen Erwachsenen bis unter 25 Jahre machte diese Altersgruppe sogar 43% der untergebrachten Wohnungslosen aus. Im Alter 65 Jahre und älter waren 1.725 Personen, was 5% des Personenkreises entspricht.
- Mit 55% kam über die Hälfte der untergebrachten Wohnungslosen aus Europa (18.240 Personen), hier am häufigsten aus der Ukraine. Ukrainerinnen und Ukrainer machten rund ein Drittel aller Personen aus, in absoluten Zahlen waren es 10.895 Personen (siehe A2). Die zweitgrößte Personengruppe aus Europa hatte die deutsche Staatsangehörigkeit (4.175) gefolgt von türkischen (795), rumänischen (450) und russischen (415) Staatsangehörigen. Weitere 11.720 Frauen und Männer kamen aus Asien, hier insbesondere aus Syrien (5.370) und Afghanistan (3.400).
A2 Untergebrachte wohnungslose Personen am 31.01. nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten - Die Statistik zu den untergebrachten Wohnungslosen liefert auch Informationen zur Art des Haushaltszusammenhangs und dessen Größe. Über ein Drittel der Betroffenen lebte in Haushaltszusammenhängen mit 5 und mehr Personen (11.115 Personen). Weitere 9.925 Frauen und Männer waren alleinstehend. Die Zahl der 2- bzw. 3-Personen-Haushalte war mit rund 10 bis 11% (3.460 bzw. 3.530 Personen) ähnlich hoch. In 4-Personen-Haushalten lebten 4.235 Personen (13%) (siehe A3).
- (Ehe-)Paare mit mindestens einem Kind machten mit 41% den am häufigsten vertretenen Haushaltstyp aus. Die bereits erwähnte Personengruppe der Alleinstehenden war mit 30%, die zweitgrößte. Zu der Gruppe der Alleinerziehenden mit Kind(ern) zählten 4.995 Personen (15%) der in Niedersachsen untergebrachten Wohnungslosen.
- Die durchschnittliche Dauer der Unterbringung Wohnungsloser zeigt: Schnell wird Wohnungslosigkeit selten überwunden. Durchschnittlich dauerte die Unterbringung zum Stichtag der Erhebung Ende Januar 2024 fast 2 ½ Jahre an, bei den Wohnungslosen mit deutscher Staatsangehörigkeit fast 3 ½ Jahre und somit noch einmal deutlich länger. Die kürzere durchschnittliche Unterbringungsdauer der nicht-deutschen Wohnungslosen in Niedersachsen von 118 im Vergleich zu 180 Wochen bei den deutschen Wohnungslosen bedingt sich auch durch die große Gruppe der Wohnungslosen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, da diese vermehrt nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 in Deutschland Schutz suchten. Bezogen auf die unterschiedlichen Haushaltstypen waren insbesondere Familien mit Kindern vergleichsweise lange untergebracht; durchschnittlich 144 Wochen. Kürzer waren hingegen die Zeiten bei den Haushalten, über die keine weiteren Informationen vorliegen („unbekannt“: 97 Wochen) und bei Alleinerziehenden mit 102 Wochen.

Wohnungslosigkeit in Deutschland
Deutschlandweit waren am 31. Januar 2024 rund 439.465 Kinder, Frauen und Männer wegen Wohnungslosigkeit untergebracht. Mit 105.120 Personen lebte fast ein Viertel der Betroffenen im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg (92.675), Berlin (47.260) und Bayern (39.130). Niedersachsen folgt mit 33.000 Personen auf Platz 5 (siehe A4). Gut ein Fünftel der Wohnungslosen in Niedersachsen (6.935) lebte in der Region Hannover, gefolgt von den Landkreisen Stade (2.600), Emsland (2.460) und Diepholz (2.005) (siehe Tabelle T1).

Resümee
Politisches Handeln benötigt eine solide Datengrundlage. Diese bereitzustellen ist auch die Aufgabe der amtlichen Statistik. Hierzu eröffnet das Bundesstatistikgesetz die Möglichkeit von natürlichen und juristischen Personen, Behörden etc. Daten mit Auskunftspflicht einzuholen. Dort wo sich Personen jeglicher Form der Verwaltung bzw. staatlichem Zugriff entziehen – wie es bei manchen Formen von Wohnungslosigkeit der Fall ist – stößt die amtliche Statistik an ihre Grenzen. Daher beschränkt sich die amtliche Statistik zum Thema „Wohnungslosigkeit“ auf die untergebrachten Wohnungslosen. Dies schmälert nicht den Beitrag, den die amtliche Statistik leistet, ist aber bei der Interpretation der Daten stets mitzudenken. Allein bei den untergebrachten Wohnungslosen weist die durchschnittliche Dauer der Unterbringung sowie die Altersstruktur und der hohe Anteil an Familien mit Kindern auf einen dringenden, politischen Handlungsbedarf hin.
Einen Überblick über die methodischen Hintergründe finden Sie im Beitrag „Die neue Statistik zu untergebrachten wohnungslosen Personen“.
Weitere Informationen zum Thema Wohnungslose in Niedersachsen gibt es auf www.statistik.niedersachsen.de.