Die Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik der Europäischen Union

Europakarte mit Europäischer Flagge und einer großen Gruppe mit Figuren.
Foto: gopixa- stock.adobe.com

Im Rahmen der regionalen Politik der Europäischen Union spielt die Nutzung von Statistiken eine wesentliche Rolle, vor allem wenn es um die Zuweisung von Geldern aus Förderprogrammen geht. Zu nennen sind hier insbesondere die 5 Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI), auch wenn nicht jede Region aus jedem Fonds förderfähig ist. Aus im europäischen Vergleich eher kleinräumiger Perspektive ist vor allem der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) von Interesse. In den mehrjährigen Förderperioden dieses Fonds sind meist mehrere verschiedene Ziele förderfähig. Übergeordnetes Ziel ist es, regionale Ungleichgewichte in der Europäischen Union zu mindern und die Lebensumstände in den strukturschwächsten Regionen zu verbessern. Zur Einstufung der Förderfähigkeit der Regionen werden dabei statistische Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf herangezogen.

Eurostat als Hüterin der Regionalstatistik

Für Daten ist auf europäischer Ebene Eurostat, das Statische Amt der Europäischen Union, zuständig – sowohl was das statistische Programm als auch die Aufbereitung und Verbreitung der von den nationalen Statistikämtern gelieferten Daten angeht.

Die Regionalstatistiken von Eurostat bilden Strukturen und Entwicklungen zu allen relevanten Themen ab, von Demographie über Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Handel, Verkehr und Umwelt bis hin zu sozialen Bedingungen. In den letzten Jahren sind sowohl die Palette an Statistiken, die veröffentlicht wird, als auch Datenzusammenstellungen mit konkretem Blick auf EU-Politikbereiche erweitert worden.

In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat Eurostat für regionalstatistische Zwecke eine eigene Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik entwickelt, die „NUTS“ (Nomenclature des unités territoriales statistiques). Diese Gebietssystematik hat im Jahr 2003 in Form einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates auch förmliche Gesetzeskraft erlangt1Verordnung (EG) 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS), Amtsblatt der Europäischen Union L154, 21.06.2003, die ursprüngliche Verordnung und eine aktuelle konsolidierte Fassung sind abrufbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/nuts/legislation (zuletzt abgerufen am 16.05.2023).. Seither sind die Regeln für die Größe dieser statistischen Gebietseinheiten und das Verfahren bei Änderung dieser Systematik förmlich vorgegeben.

Im Sinne einer hohen Datenverfügbarkeit und zeitlichen und räumlichen Vergleichbarkeit wird eine möglichst große Kontinuität dieser Gebietseinheiten angestrebt.

Wie werden die NUTS-Gebietseinheiten gebildet?

Landkarte von Europa, die NUTS-2-Gebiete und das vereinigte Königreich sind hellblau gefärbt.
A1 Die NUTS-2-Gebiete der EU-27 und des Vereinigten Königreichs

Die NUTS-Klassifikation ist hierarchisch aufgebaut. Jeder Mitgliedstaat wird in Gebietseinheiten der Ebene NUTS-1 unterteilt, die wiederum in Gebietseinheiten der NUTS-2 und letztere schließlich in Gebietseinheiten der NUTS-3 unterteilt werden. Jedes Gebiet ist mit einem Code und einem Namen versehen. Eine Gebietseinheit darf mehreren NUTS-Ebenen zugeordnet werden. Tabelle T1 zeigt eine Übersicht der Zahl der Gebietseinheiten in den einzelnen Ebenen für die Mitgliedstaaten der EU-27 und des Vereinigten Königreichs2Für das Vereinigte Königreich wurden als damaliges EU-Mitglied ebenfalls NUTS-Gebiete definiert..

T1 Zahl der NUTS-Regionen für die EU-27 und das Vereinigte Königreich (NUTS 2021)

GebietNUTS-1NUTS-2NUTS-3
Belgien31144
Bulgarien2628
Tschechische Republik1814
Dänemark1 511
Deutschland1638401
Estland115
Irland138
Griechenland41352
Spanien71959
Frankreich1427101
Kroatien1421
Italien521107
Zypern111
Luxemburg111
Lettland116
Litauen1210
Ungarn3820
Malta112
Niederlande41240
Österreich3935
Polen71773
Portugal3725
Rumänien4842
Slowenien1212
Slowakei148
Finnland2519
Schweden3821
EU-27922421 166
Vereinigtes Königreich (UK)1241179
EU-27 + UK1042831 345

Mangels anderer für Politik und Statistik brauchbarer Gliederungsprinzipien – man könnte generell auch an naturräumliche, Kultur-, Sprachraum-, Wirtschafts- oder Planungsregionen denken – lehnt sich die Einteilung der NUTS-Systematik eng an die Verwaltungsgliederung der einzelnen Länder an. So bilden denn auch bestehende Verwaltungseinheiten der Mitgliedstaaten in der NUTS-Verordnung das erste Kriterium zur Festlegung der Gebietseinheiten.

Für die Zuordnung zu einer NUTS-Ebene spielt auch die Größe der Verwaltungseinheiten eine Rolle. Tabelle T2 zeigt die Bevölkerungsgrenzen für die einzelnen Ebenen im Durchschnitt aller Verwaltungseinheiten.

T2 Durchschnittliche Ober- und Untergrenzen der Bevölkerung von Verwaltungseinheiten gemäß NUTS-Verordnung

EbeneUntergrenzeObergrenze
NUTS-13 000 0007 000 000
NUTS-2800 0003 000 000
NUTS-3150 000800 000

Falls die Bevölkerung eines Mitgliedstaats unter der Mindestgrenze einer bestimmten NUTS-Ebene liegt, bildet der gesamte Mitgliedstaat eine NUTS-Gebietseinheit auf dieser Ebene. Wenn in einem Mitgliedstaat für eine bestimmte NUTS-Ebene keine Verwaltungseinheiten der entsprechenden Größe existieren, wird diese NUTS-Ebene durch Aggregation einer angemessenen Zahl bestehender kleinerer benachbarter Verwaltungseinheiten gebildet.

Bei solchen künstlichen Zusammenschlüssen sollen Kriterien wie geographische, sozioökonomische, historische, kulturelle oder Umweltkriterien berücksichtigt werden. Die so gebildeten Einheiten werden als „nichtadministrative Einheiten“ bezeichnet. Die Bevölkerungsgrenzen (siehe Tabelle T2) sind dabei im Gegensatz zu den administrativen Einheiten grundsätzlich für jede einzelne Einheit zu beachten. Aufgrund besonderer geographischer, sozioökonomischer, historischer, kultureller oder Umweltkriterien, insbesondere bei Inseln und in Gebieten in äußerster Randlage, sind aber Abweichungen möglich.

Im Ergebnis gibt es so nach wie vor große Bevölkerungsunterschiede der einzelnen Regionen einer NUTS-Ebene.

Wie wird mit Änderungen umgegangen?

Aufgrund von Verschiebungen der territorialen Struktur der Mitgliedstaaten oder Veränderungen der administrativen Struktur können Änderungen der Systematik notwendig werden. Solche Änderungen sind in der NUTS-Verordnung recht detailliert geregelt. Die Verordnung verfolgt das Ziel, die Auswirkungen von administrativen Änderungen in den Mitgliedstaaten auf die Systematik möglichst gering zu halten und so eine hohe Datenverfügbarkeit und -vergleichbarkeit für die Gebietseinheiten sicherzustellen.

In der Regel beträgt der zeitliche Mindestabstand für eine Überarbeitung der NUTS drei Jahre. Bei tiefgreifenden Umgestaltungen der Verwaltungsstruktur sind Änderungen auch in kürzeren Abständen möglich. Das ist bisher nur einmal im Jahr 2014 für Portugal vorgekommen.

Aktuell ist die NUTS 2021 in Gebrauch, die seit dem 1. Januar 2021 gültig ist.

Was heißt das für Deutschland und Niedersachsen?

In Deutschland sind die Länder der Ebene NUTS-1 zugeordnet, auch wenn sie wie beispielsweise das Land Bremen mit knapp 700 000 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht innerhalb des für diese Ebene geforderten Bevölkerungskorridors liegen. Hier geben die administrative Gliederung Deutschlands und die durchschnittliche Größe der deutschen NUTS-1-Gebiete den Ausschlag.

Die NUTS-2-Ebene umfasst in Deutschland neben administrativen Einheiten auch die oben erwähnten nicht-administrativen Einheiten: Regierungsbezirke sind – sofern vorhanden – NUTS-2-Gebiete. Die Mehrheit der deutschen Länder hat keine Regierungsbezirke mehr oder hatte sie nie. In Niedersachsen wurden die Regierungsbezirke Ende 2004 aufgelöst. Wo es zuvor Regierungsbezirke gab und diese den Richtwerten der Bevölkerungsgröße entsprachen, wurden die nicht-administrativen NUTS-2-Gebiete geographisch genauso geschnitten. Niedersachsen hat daher auf der NUTS-2-Ebene die sogenannten Statistischen Regionen Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Weser-Ems, die exakt den früheren Regierungsbezirken gleichen Namens entsprechen.

Die NUTS-3-Ebene besteht in Deutschland aus den Landkreisen/Kreisen sowie den kreisfreien Städten/Stadtkreisen. Die Region Hannover als Kommunalverband besonderer Art ist ebenfalls der Ebene NUTS-3 zugeordnet.

Beispiele für Gebietseinheiten, die mehreren NUTS-Ebenen zugeordnet sind, sind in Deutschland die Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Sie alle sind allen drei NUTS-Ebenen zugeordnet.

Was ist mit Städten und Gemeinden?

Die europäische Regionalsystematik macht nicht an der Kreisebene halt. Unterhalb dieser Ebene gilt die sogenannte LAU-Systematik. Ist die NUTS ein Akronym, das sich aus der französischen Bezeichnung ergibt, ist die LAU englischen Ursprungs (Local Administrative Unit).

Diese lokalen Verwaltungseinheiten unterteilten die NUTS-3-Ebene bis 2017 in eine oder zwei Ebenen, LAU-1 und LAU-2. Die obere Ebene LAU-1 war nicht in allen Mitgliedstaaten definiert. Die untere Ebene LAU-2 bestand aus Gemeinden oder gleichwertigen Einheiten. Seit 2017 gibt es nur noch eine LAU-Ebene. Wie bei der NUTS erfolgt eine Orientierung an bestehenden Verwaltungseinheiten. Die Gründe dafür sind die Datenverfügbarkeit und die Umsetzbarkeit von Förderprogrammen. Mit der LAU-Ebene wird das Gebiet der Mitgliedstaaten flächendeckend abgebildet.

In Deutschland bilden die Gemeinden die LAU-Ebene. Gemeindeverbände wie die niedersächsischen Samtgemeinden, die bis 2017 der Ebene LAU-1 entsprachen, werden nicht länger berücksichtigt. In Niedersachsen besteht die LAU-Ebene daher aus Einheitsgemeinden und Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden. Im Sinne der Datenverfügbarkeit und der Umsetzbarkeit von Förderprogrammen ist der Verlust der Samtgemeinden in der Regionalsystematik bedauerlich, im Sinne der Einheitlichkeit und der flächendeckenden Abbildung des Gebietes aber alternativlos.

Anders als die NUTS erfährt die Ebene der LAU häufig Änderungen. Daher veröffentlicht Eurostat hierzu jährlich aktualisierte Listen.

Andere Statistikraster

Mit Blick auf verschiedene EU-Politikbereiche und die Kohäsions- und Entwicklungspolitik hat Eurostat eine Vielzahl von ergänzenden Typologien veröffentlicht, die auch schon Eingang in die Rechtsvorschriften der EU gefunden haben3Für Hintergrundinformationen zu NUTS und LAU sowie den weiteren Typologien siehe https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/nuts/background (zuletzt abgerufen am 16.05.2023).. Diese anderen Typologien sind mit NUTS und LAU kompatibel.

So gibt es auf der Ebene von NUTS-3-Gebieten eine „städtisch-ländliche Typologie“, eine „Metropol-Typologie“ und schließlich eine „Küstentypologie“. Während die Stadt-Land-Typologie feiner untergliedert ist, sind die anderen beiden reine Ja/Nein-Unterscheidungen der Zugehörigkeit.

Auf der LAU-Ebene stehen „Verstädterungsgrad“ (Degree of Urbanisation, DEGRUBA), „Funktionale städtische Gebiete“ (Functional Urban Areas, FUA) und „Küstengebiete“ als Typologien zur Verfügung.

Die genannten Typologien sind noch eher administrativ orientiert. Es gibt mittlerweile jedoch auf europäischer Ebene auch schon eine rasterbasierte Typologie mit einem Gitter von 1 km², das zwischen „Stadtzentren“, „Städtischen Räumen“ und „Ländlichen Rasterzellen“ unterscheidet.

Für die Gestaltung der EU-Regional- und Kohäsionspolitik stellt die NUTS-Klassifikation dabei nach wie vor die wichtigste regionale Gliederungssystematik dar, auf Basis derer europaweit harmonisierte statistische Daten erfasst und aufbereitet werden.

Fußnoten

  • 1
    Verordnung (EG) 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS), Amtsblatt der Europäischen Union L154, 21.06.2003, die ursprüngliche Verordnung und eine aktuelle konsolidierte Fassung sind abrufbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/nuts/legislation (zuletzt abgerufen am 16.05.2023).
  • 2
    Für das Vereinigte Königreich wurden als damaliges EU-Mitglied ebenfalls NUTS-Gebiete definiert.
  • 3
    Für Hintergrundinformationen zu NUTS und LAU sowie den weiteren Typologien siehe https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/nuts/background (zuletzt abgerufen am 16.05.2023).