Stau auf der B4 bei Torfhaus – Das Reisegebiet Harz als Winterreiseziel

Heinrich-Heine Weg zum Brocken schneebedeckt
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Schmale Kunstschneebänder auf grün-braunen Alpenhängen haben in diesem Winter viele Skifahrerinnen und Skifahrer aber natürlich auch die örtlichen Tourismusverbände aufgeschreckt. Angesichts des bisher überdurchschnittlich warmen Winters und Temperaturen, die vielfach eine künstliche Beschneiung von Skipisten und Loipen unmöglich machen, wurden erste Stimmen laut, die dem Skitourismus in Lagen unterhalb von 2 000 Meter Höhe wenig Zukunft geben. Auch Investitionen und Subventionen der Vergangenheit in bzw. für Schneekanonen sowie manche Liftanlagen wurden bereits kritisch hinterfragt.

Niedersachsen hat mit einem Teil des Harzes ein auch im Winter überaus beliebtes Reiseziel für Kurztrips in den Schnee, egal ob nun zum Alpinskilauf, Langlauf, Rodeln oder Winterwandern. Aber wie vielen anderen Bergregionen in Deutschland fehlt es auch dem Harz im Vergleich zu den Alpen an Höhe, so dass die Schneesicherheit – und sei es nur dank Kunstschnee – eine durchaus relevante Fragestellung ist. Schnee aus der Kanone wirft angesichts von Wasser- und Energiesparnotwendigkeiten auch grundsätzlich Fragen auf.

Doch welche Rolle spielt der Wintersporttourismus im niedersächsischen Reisegebiet Harz? Die Tourismusstatistik kann hier leider nur begrenzt Auskunft geben. Denn: Tagesgäste, die am Morgen anreisen, einige Abfahrten machen, vielleicht noch in einem Gasthaus einkehren und am Abend wieder nach Hause fahren, werden nicht erfasst. Meldungen zu Staus auf der B4 bei Torfhaus, die zweifellos ein Indikator für den Andrang von Wintersporttouristinnen und -touristen sind, werden bisher nicht für die Statistik genutzt. Gezählt werden nur Personen, die bei Beherbergungsbetrieben mit mindestens 10 Schlafgelegenheiten oder Campingplätzen mit mindestens 10 Stellplätzen eingecheckt haben.

Um sich dem Harz als Wintersport-Reiseziel statistisch zu nähern, erscheint ein Blick auf die Zahlen der Ankünfte und Übernachtungen dennoch zulässig, weil Tagesgäste nicht winterexklusiv sind. Auch im Sommer wird zum Wandern oder Mountainbiken gern am Morgen in den Harz gefahren und am Abend die Heimreise angetreten. Informationen zu Umsatz und Beschäftigung im Gastgewerbe könnten ebenfalls aufschlussreich sein. Leider liegen diese Daten für einzelne Monate für die Reisegebiete nicht vor.

Eines von 13 Reisegebieten

Der Harz ist eines von 13 Reisegebieten der Beherbergungsstatistik in Niedersachsen (siehe Abbildung 1).

A1 Reisegebiete in Niedersachsen

Betrachtet man den Anteil der Gästeankünfte an allen Gästeankünften in Niedersachsen, rangiert der Harz mit einem Anteil von etwa 10 % in den Jahren seit 2009 regelmäßig an fünfter Stelle hinter den Gebieten „Lüneburger Heide“, „Hannover-Hildesheim“, „Nordseeküste“ und „Grafschaft Bentheim-Emsland-Osnabrücker Land“ (für 2022 siehe Abbildung 2).

A2 Gästeankünfte in Niedersachsen 2022 nach Reisegebieten

Bei den Übernachtungen entfielen seit 2009 regelmäßig etwa 9 % der in Niedersachsen von Touristinnen und Touristen verbrachten Nächte auf den Harz. Hier treten vor allem die Gebiete „Nordseeküste“, „Lüneburger Heide“, „Ostfriesische Inseln“ und „Grafschaft Bentheim-Emsland-Osnabrücker Land“ mit jeweiligen Anteilen von deutlich mehr als 10 %, zum Teil sogar über 15 %, in Erscheinung.

Konstante Entwicklung vor der Pandemie

Im Jahr 2022 kamen gut 1,4 Mio. Gäste im Harz an und verbrachten dort insgesamt knapp 4,2 Mio. Nächte. Beide Werte liegen im Bereich der Ergebnisse aus Vor-Pandemie-Zeiten (siehe Tab. T1).

Von 2009 bis 2019 ging es mit den Gästeankünften im Wesentlichen bergauf: von rund 1,2 Mio. bis auf über 1,5 Mio. Die Corona-Jahre 2020 und 2021 brachten einen deutlichen Rückschritt. So gingen die Gästeankünfte im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 von über 1,5 Mio. auf etwas über 927 000 zurück – ein Minus von gut 41 %. Der Tiefpunkt wurde 2021 mit „nur“ etwas über 860 000 Gästeankünften erreicht. Im Jahr 2022 ging es mit den bereits erwähnten gut 1,4 Mio. Ankünften schon wieder deutlich bergauf, auch wenn das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder ganz erreicht wurde.

Oderteich im Harz. Foto: manushot – stock.adobe.com

Die Entwicklung bei den Übernachtungen verlief parallel. Ihre Zahl nahm von über 3,8 Mio. (2009) auf mehr als 4,6 Mio. (2019) zu, bis die Pandemie auch hier zu einem Rückgang von fast 37 % auf nur noch rund 2,9 Mio. Übernachtungen führte. Auch hier markiert das Jahr 2022 mit knapp 4,2 Mio. Übernachtungen die Trendwende.

Der Anteil von Gästeankünften aus dem Inland ist im Harz mit Werten zwischen 87,5 % und 92,3 % im Zeitraum 2009 bis 20211Zur Herkunft der Gäste lagen bei Abfassung des Beitrags noch keine Daten für die Reisegebiete für 2022 vor. minimal geringer als im Landesdurchschnitt ausgefallen. Die Ankünfte, die zwischen 2009 und 2021 in Niedersachsen in der Statistik erfasst wurden, waren zwischen 89,0 % und 93,9 % der Fälle von Menschen mit einem deutschen Pass. Die Anteile der Übernachtungen von inländischen und ausländischen Personen bewegten sich jeweils auf einem ähnlichen Niveau.

Eine wichtige Kennziffer ist auch die aus Ankünften und Übernachtungen berechnete durchschnittliche Aufenthaltsdauer. Wer im Harz übernachtete, blieb 2022 im Durchschnitt 3,0 Tage dort. Zum Vergleich: Auf den Ostfriesischen Inseln, dem diesbezüglichen Spitzenreiter, blieben die Gäste im Schnitt 6,4 Tage. Auch der Landesdurchschnitt war mit 3,2 Tagen etwas höher. Im Harz wird also nicht unbedingt wochenlanger Urlaub verbracht. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer war seit 2009 recht konstant und bewegte sich zwischen 3,0 und 3,3 Tagen. Die Spitzenwerte von 3,2 und 3,3 Tagen wurden erst während der Corona-Pandemie erreicht. Der Trend zu Urlaub in Deutschland in dieser Zeit hat sich hier offenbar verstärkend ausgewirkt.

Die Auslastung der angebotenen Schlafgelegenheiten im Harz schwankte in den Jahren 2009 bis 2022 zwischen 26,4 % und 33,6 %. Sie blieb damit stets unter dem Landesdurchschnitt (28,7 % bis 34,9 %). Waren bis 2019 Unterschiede von 1,1 bis 3,5 Prozentpunkten festzustellen, fiel die Lücke in den Corona-Jahren 2020 und 2021 mit einer Differenz von weniger als 1 Prozentpunkt am geringsten aus. Im Jahr 2022 hat sich der Abstand mit 1,4 Prozentpunkten wieder etwas vergrößert.

Harztourismus im Jahresverlauf

In den Jahren 2009 bis 2022 kamen pro Monat im Durchschnitt 106 460 Gäste im Harz an. Im selben Zeitraum wurden durchschnittlich 329 395 Übernachtungen pro Monat registriert. Da die Entwicklung bei den Übernachtungen parallel zu der der Ankünfte verlaufen ist, wird der Entwicklung im Jahresverlauf nur anhand der Gästeankünfte nachgegangen.

Die monatliche Zahl der Gästeankünfte schwankte im Jahresverlauf durchaus beträchtlich. So kamen im März im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2022 80 655 Gäste an, im Oktober waren es 134 589. Abbildung A3 zeigt, dass die Monate Januar bis April sowie November und Dezember im Zeitraum 2009 bis 2022 bei den Ankünften deutlich gegenüber den anderen Monaten abgefallen sind. Die Monate Juli, August, September und Oktober waren die ankunftsstärksten Monate.

A3 Gästeankünfte im Harz im Jahresverlauf in den Jahren 2009 bis 2022

Um die Spanne der einzelnen Jahre zu verdeutlichen, wurde ein Kastendiagramm (Box-Plot) erstellt, auch wenn man diese üblicherweise bei deutlich umfangreicheren Datenreihen verwendet. Es fasst verschiedene robuste Streuungs- und Lagemaße in einer Darstellung zusammen und stellt den Median (Strich im Kasten), die zwei Quartile (obere und untere Kastenbegrenzung) und die beiden Extremwerte (Ende der Antennen) sowie sogenannte Ausreißer dar. Das arithmetische Mittel ist zusätzlich als Kreuz dargestellt.

Bedeutung des Wintertourismus

Die Tourismusstatistik weist auch Daten für die Sommer- und Wintersaison aus. Zum Winter zählen die Monate November bis April, zum Sommer dementsprechend die Monate Mai bis Oktober. Mit Blick auf den Wintertourismus im Sinne von Schneetourismus wird der Winter hier aber auf die Monate Januar bis März verengt.
Die Monate Januar bis März sind gleichbedeutend mit einem Vierteljahr. Bei den Ankünften und den Übernachtungen zeigt sich jedoch, dass der Anteil dieser Wintermonate am Gesamtergebnis im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2022 „nur“ etwa ein Fünftel betrug (siehe Abbildung A4).

A4 Anteil der durchschnittlichen Gästeankünfte (innerer Ring) und Übernachtungen (äußerer Ring) im Winter und im Rest des Jahres im Harz – Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2022

Der Schneetourismus in den Monaten Januar bis März hat sich im Vergleich zum Rest des Jahres seit 2009 trotz Modernisierung von Liftanlagen und Investitionen in Schneetechnik sowie weitere Infrastruktur bis zum pandemiebedingten Einbruch der Ankünfte und Übernachtungen nicht besser entwickelt als der Tourismus im Rest des Jahres (siehe Abb. A5). Der weniger deutliche Einbruch im Jahr 2020 ist darauf zurückzuführen, dass die Wahrnehmung der Pandemie in der breiten Öffentlichkeit und die Ergreifung erster Maßnahmen erst im März erfolgte und der Tourismus bis dahin normal lief. Der Tiefpunkt beim Wintertourismus wurde erst 2021 erreicht. Während für die restlichen Monate schon 2021 eine Überwindung der Talsohle zu erkennen war, ist diese beim Wintertourismus erst 2022 erfolgt. Die Lücke zum Vor-Pandemie-Niveau fiel aber auch 2022 noch deutlich größer aus als im Rest des Jahres.

A5 Entwicklung der Gästeankünfte und Übernachtungen im Winter und dem Rest des Jahres 2009 bis 2022 (2009 = 100)

Vergleicht man die monatlichen Gästeankünfte der Jahre 2009 bis 2022 von Januar bis März mit den übrigen Monaten (siehe Abb. A3) sind die Ergebnisse für den Monat November durchaus vergleichbar. Wenn im November, der eher mit Adjektiven wie trüb und nass assoziiert wird, mit 88 597 Ankünften im Durchschnitt etwas mehr Gäste anreisen als im Januar (83 725) und März (80 655) und nicht viel weniger als im Februar (93 296), sollte ein eventueller Schneemangel keinen allzu großen Einfluss auf das Jahresergebnis der Ankünfte und Übernachtungen haben.

Fazit

Die Beherbergungsstatistik kann leider nur begrenzt darüber Aufschluss geben, welche Rolle der Wintertourismus im Harz spielt, weil Tagesgäste nicht erfasst werden und mögliche Unterschiede im Vergleich zum Rest des Jahres so nicht darstellbar sind. Absolute Angaben zu Umsatz und Beschäftigung im Gastgewerbe stehen für die Reisegebiete für einzelne Monate nicht zur Verfügung.

Die klassischen Tourismusdaten Ankünfte und Übernachtungen deuten für die Monate Januar bis März eine eher unterdurchschnittliche Bedeutung für das Gesamtjahresergebnis an. Der Anteil der Monate Januar bis März am Gesamtjahresergebnis fiel seit 2009 im Durchschnitt geringer aus, als es aufgrund der Länge des Zeitraums zu erwarten wäre. Schneemangel erscheint also verkraftbar, wenn andere Ausflugsziele und Betätigungen in dieser Zeit einen Besuch im Harz ähnlich attraktiv machen wie im November. Die Landschaft als Kulisse ist dabei aber keinesfalls zu unterschätzen. Diesbezüglich ist auch das Waldsterben eine große Herausforderung.

Was Ausflugsziele und Betätigungen angeht, führt an einer weiteren Differenzierung des touristischen Angebots und der Erschließung von Nischen wohl kein Weg vorbei. Es kann aber auch Vorteile mit sich bringen, wenn nicht so viele Menschen gleichzeitig mit dem Pkw Torfhaus zum Wintersport ansteuern. Die Staumeldungen aus dem Verkehrsfunk wird wohl kaum jemand vermissen.

Übrigens…

gibt es die wichtigsten Kennzahlen zum Tourismus in Niedersachsen und den einzelnen Reisegebieten grafisch aufbereitet in den Tourismus-Dashboards Niedersachsen unter: www.statistik.niedersachsen.de > Datenangebote> Dashboards > Dashboards Tourismus. Statistische Berichte mit weiteren Monats- und Jahresdaten für die Reisegebiete stehen zur Verfügung unter: www.statistik.niedersachsen.de > Veröffentlichungen > Statistische Berichte > Tourismus.

Jessica Rothhardt

Fußnoten

  • 1
    Zur Herkunft der Gäste lagen bei Abfassung des Beitrags noch keine Daten für die Reisegebiete für 2022 vor.