Die Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen der Länder
Zur statistischen Darstellung der Gesundheitswirtschaft hat die amtliche Statistik in Deutschland mit den Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen (GGR) ein eigenes Rechenwerk entwickelt. Dieses enthält Daten zu Ausgaben, Beschäftigten und der Wertschöpfung ab 2008 auf Ebene der Bundesländer. Informationen zur Methodik und Ergebnisse für Niedersachsen enthält dieser Beitrag.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels steigt die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland und Niedersachsen. So erwirtschaftete die Branche im Jahr 2022 in Niedersachsen mit rund 577.700 Erwerbstätigen eine Bruttowertschöpfung von knapp 27,5 Mrd. Euro (in jeweiligen Preisen); dies entspricht 3.387 Euro pro Kopf und 9,0% der Bruttowertschöpfung im Land. In Deutschland insgesamt erwirtschafteten rund 6,1 Mio. Erwerbstätige 353,5 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung (in jeweiligen Preisen) oder 10,1% der gesamten Wertschöpfung und 4.204 Euro pro Kopf.
Im Folgenden werden zunächst die Komponenten der Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen vorgestellt und im Anschluss einige Ergebnisse für Niedersachsen dargestellt.
Methodik der drei Komponenten
Das Ziel der Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen der Länder (GGR bzw. GGRdL) besteht in der „systematischen Darstellung von Niveau, Struktur und Entwicklung
- der Gesundheitsausgaben,
- des Gesundheitspersonals sowie
- von Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigenzahl der Gesundheitswirtschaft auf Länderebene.“1Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GGRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/die-ag-ggrdl#aufgaben-und-ziele, aufgerufen am 3. Januar 2024.
Aus dieser Zielstellung ergeben sich die drei Komponenten des Rechenwerkes:
- Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatz (WSE)
Der Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatz „dient der Quantifizierung der Gesundheitswirtschaft und bildet folglich die wirtschaftlichen Tätigkeiten der in einem Wirtschaftsgebiet in der Gesundheitswirtschaft aktiven wirtschaftlichen Einheiten innerhalb einer Berichtsperiode in den Kategorien der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ab. Das Ziel ist die Bestimmung der Bruttowertschöpfung und die Zahl der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft auf Länderebene.“2Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser.Unter der Bruttowertschöpfung (BWS) im Kontext der Gesamtrechnungen wird der Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen verstanden. Sie ist sozusagen der in dem betrachteten Zeitraum geschaffene Mehrwert für den Wirtschaftsraum und Wirtschaftszweig.
- Gesundheitspersonalrechnung (GPR)
Die Gesundheitspersonalrechnung „umfasst alle im Gesundheitswesen tätigen Personen, unabhängig davon, welchen Beruf sie ausüben. Es erfolgt eine Erfassung von Beschäftigungsverhältnissen, sodass Personen mit mehreren Arbeitsverhältnissen in verschiedenen Einrichtungen mehrfach gezählt werden.“3Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser. Unter diese Definition fallen auch Selbstständige und geringfügig Beschäftigte, nicht aber ehrenamtlich Tätige und Auszubildende. Für die verschiedenen Einrichtungsarten wie beispielsweise Krankenhäuser, Arztpraxen oder Einrichtungen des Gesundheitsschutzes, werden neben der Anzahl der tätigen Personen auch die Anzahl der weiblichen Beschäftigten und die Vollzeitäquivalente ausgewiesen.
- Gesundheitsausgabenrechnung (GAR)
Die Gesundheitsausgabenrechnung unterliegt der Zielstellung, die volkswirtschaftlichen Ressourcenverbräuche abzubilden, die für den Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit aufgewendet wurden.4Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser. Die Ergebnisse werden nach
- der Höhe der Ausgaben und
- deren zeitlicher Entwicklung sowie
- der Art des Aufgabenträgers (z. B. Kranken- oder Pflegeversicherungen) differenziert.
Auswertungsergebnisse
Wertschöpfungs-Erwerbstätigenansatz (WSE): Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige seit 2008 kontinuierlich gewachsen
Die Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland betrug 2022 rund 353,5 Mrd. Euro, was einem Anteil von 10,1% an der Gesamtwirtschaft und 4.204 Euro pro Kopf entsprach. Erwerbstätig in der Gesundheitswirtschaft Deutschlands waren im Jahresdurchschnitt knapp 6,1 Mio. Personen, was einem Anteil von 13,3% an Erwerbstätigen der Gesamtwirtschaft entspricht. Eine Übersicht über die Wertschöpfung und die Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft der Länder zeigt Tabelle T1.
Wertschöpfung der niedersächsischen Gesundheitswirtschaft bei 27,5 Mrd. Euro
In Niedersachsen belief sich die Wertschöpfung in der Gesundheitswirtschaft 2022 auf 27,5 Mrd. Euro. Damit lag der Anteil an der niedersächsischen Gesamtwirtschaft mit 9,0% unter dem Bundesdurchschnitt. Im Durchschnitt des Jahres 2022 waren gut 577.000 Personen in Niedersachsen im Gesundheitssektor tätig, was einem Anteil von 13,9% an den Erwerbstätigen der Gesamtwirtschaft entsprach. Die geringsten Anteile an der Gesamtwirtschaft wies Bayern aus, sowohl für die Wertschöpfung (8,4%) als auch für die Erwerbstätigen (12,2%). Die höchsten Anteile waren bei der Wertschöpfung in Rheinland-Pfalz (15,4%) und bei den Erwerbstätigen im Saarland (15,9%) zu verzeichnen.
Aus den beiden zuvor betrachteten Größen lässt sich als weiterer Indikator die Bruttowertschöpfung (in jeweiligen Preisen) je Erwerbstätigem berechnen. Dieser Wert differierte zwischen den Ländern erheblich, nämlich von 47.580 Euro in Niedersachen zu 82.147 Euro in Rheinland-Pfalz.
Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft steigt an
Tabelle T2 und Abbildung A1 zeigen die zunehmende Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen und in Deutschland seit 2008.5Aufgrund des Wechsels in den Quellen für die Berechnung des Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatzes kommt es in den Jahren 2013 und 2014 zu einem Bruch in der Zeitreihe. Die Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen und die Zahl der Erwerbstätigen sind im Beobachtungszeitraum in Niedersachsen und in Deutschland kontinuierlich angestiegen. Beide Trends finden sich auch in den Anteilen an der Gesamtwirtschaft wieder. Bei der Interpretation der Bruttowertschöpfung ist jedoch zu beachten, dass hier die Werte in Preisen des jeweiligen Jahres abgetragen sind, die Preisentwicklung insofern nicht berücksichtigt wurde.
Gesundheitspersonalrechnung (GPR): Mehr als 6 Mio. Beschäftigte in Deutschland
Die vielfältigen Datengrundlagen der Gesundheitspersonalrechnung (GPR) und der Gesundheitsausgabenrechnung (GAR) liegen gegenüber den Daten aus dem Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatz zu einem späteren Zeitpunkt vor. Deshalb können in diesem und dem nächsten Abschnitt zunächst nur Ergebnisse bis zum Jahr 2021 präsentiert werden.
Tabelle T3 zeigt einen Überblick über Deutschland im Hinblick auf das beschäftige Gesundheitspersonal in Bund und Ländern. Demnach waren zum Stichtag 31. Dezember des Jahres 2021 mehr als 6 Mio. Beschäftigte in Deutschlands Gesundheitswesen tätig, in Niedersachsen 569.900 Beschäftigte. Die Tabelle zeigt auch, dass dieses Segment des Arbeitsmarktes von einem vergleichsweise hohen Anteil Teilzeitbeschäftigter und einem hohen Anteil weiblicher Beschäftigter geprägt war.
Anteil der weiblichen Beschäftigten in Niedersachsen bei 77,3%
So betrug der Anteil weiblicher Beschäftige an allen Beschäftigten bundesweit 75,0% und in Niedersachsen 77,3%. Die Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung lässt sich gut am prozentualen Anteil der Vollzeitäquivalente je 100 Beschäftigungsfällen ablesen. Dieser Wert betrug 2021 in Deutschland 71,6% und in Niedersachsen 69,7%. Das Vollzeitäquivalent gibt den Umfang der Beschäftigung bezogen auf die volle tariflich geltende Arbeitszeit an. So entspricht eine vollzeitbeschäftigte Person einem Vollzeitäquivalent.
Zunahme des Gesundheitspersonals um fast ein Drittel seit 2008
Die zunehmende Bedeutung des Gesundheitswesens in Deutschland und Niedersachsen lässt sich im Hinblick auf die beschäftigten Personen in der Tabelle T4 gut ablesen. So stieg zwischen 2008 und 2021 das Gesundheitspersonal in Niedersachsen um 30,9% (Deutschland 29,8%). Dieser statistische Befund bestätigt sich auch im Hinblick auf die Vollzeitäquivalente6Daten zu den Vollzeitäquivalenten des Gesundheitswesens können erst ab dem Berichtsjahr 2012 ausgewiesen werden.: Diese nahmen in Niedersachsen von 2012 bis 2021 um 16,9% zu (Deutschland 16,2%).
Ebenso unterlag der Anteil der im Gesundheitswesen beschäftigten Personen bezogen auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Niedersachsen (von 55,6 im Jahr 2008 auf 70,9 in 2021) und Deutschland (57,5 in 2008 auf 72,2 in 2021) einem kontinuierlichen Zuwachs.
Größte Gruppe im Gesundheitswesen: ambulante Pflege
Abbildung A2 zeigt gleichermaßen, dass die ambulanten Einrichtungen wie beispielsweise Arztpraxen, Apotheken und die ambulante Pflege in Niedersachsen zum Stichtag 31. Dezember 2021 das meiste Personal beschäftigten (Anteil 43,2% oder 245.794 Personen). Die Beschäftigten der stationären bzw. teilstationären Einrichtungen bildeten mit 212.561 Beschäftigten und einem Anteil von 37,4% die zweitgrößte Gruppe im Gesundheitswesen. Die übrigen Beschäftigten (Anteil 19,4%) verteilten sich auf
- Gesundheitsschutz,
- Rettungsdienste,
- Verwaltung im Gesundheitswesen (Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherungen, medizinische Dienste, Gesundheitsministerien),
- Vorleistungseinrichtungen (pharmazeutische, medizintechnische und augenoptische Industrie, Handel, Laboratorien für Medizin und Zahnmedizin) sowie
- sonstige Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Dieser statistische Befund lässt sich im Wesentlichen auch auf Deutschland übertragen. Tabelle T5 zeigt die Beschäftigten im Gesundheitswesen für Niedersachsen und Deutschland im Vergleich.
Gesundheitsausgabenrechnung (GAR): Gesetzliche Krankenversicherung ist größter Ausgabenträger
Wie eingangs erwähnt, bildet die Gesundheitsausgabenrechnung die monetären Ressourcenverbräuche ab, die für den Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit von den verschiedenen Ausgabenträgern, wie z. B. von der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, und der Pflege- und Unfallversicherung, vom Arbeitgeber oder von privaten Haushalten und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck, aufgewendet wurden.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 474,1 Mrd. Euro Ausgaben für Gesundheitsleistungen von den Aufgabenträgern getätigt (vgl. Tabelle T6). Dies entsprach 5.699 Euro je Einwohner bzw. Einwohnerin. Im selben Zeitraum wurden hierfür in Niedersachsen 44,2 Mrd. Euro bzw. 5.521 Euro pro Kopf getätigt. Die Spannweite der Gesundheitsausgaben pro Kopf reicht von 6.036 Euro in Brandenburg bis 5.145 Euro in Bremen.
Anteile der Gesundheitsausgaben in Niedersachsen 2021
Der größte Anteil der Gesundheitsausgaben im Jahr 2021 entfiel mit 54,6% in Niedersachsen auf die gesetzliche Krankenversicherung als Aufgabenträger, gefolgt von den privaten Haushalten und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck7Zu den Gesundheitsausgaben privater Haushalte zählen beispielsweise Zuzahlungen zu Versicherungsleistungen. Zu den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck zählen beispielsweise Verbände und Vereine, die Leistungen an private Haushalte unentgeltlich oder nicht kostendeckend anbieten (z. B. Sozialverbände). mit 12,6% und der sozialen Pflegeversicherung mit 11,4%.
Im Zeitraum von 2008 bis 2021 sind die Gesundheitsausgaben in Niedersachsen sowohl absolut (nicht preisbereinigt) als auch bezogen auf die Bevölkerungszahl kontinuierlich gestiegen: von 3.253 Euro pro Kopf im Jahr 2008 auf 5.521 Euro pro Kopf im Jahr 2021. Die Werte dieser Zeitreihe lagen stets leicht unter den bundesdurchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben (vgl. Tabelle T7). Die Anteile Niedersachsens an den Gesundheitsausgaben Deutschlands änderten sich im Zeitverlauf nur wenig und ohne einen eindeutigen Trend (Spannbreite von 9,3% bis 9,7%).
Zusammenfassung und Ausblick
Die Ergebnisse der Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen spiegeln die wachsende ökonomische Bedeutung des Gesundheitssektors wider. Diese betrifft sowohl die Wertschöpfung als auch die getätigten Ausgaben und das beschäftigte Personal.
Aktuell kann noch keine Zeitreihe dargestellt werden, die die Entwicklung in den Jahren vor, während und nach der Corona-Pandemie abbildet. Dies wird voraussichtlich in der 2. Hälfte des Jahres 2025 möglich sein.
Zu diesem Zeitpunkt können die Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen noch mit einem neuen Datenangebot aufwarten: Voraussichtlich ab 2024 soll das Datenangebot auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomischen Gesamtrechnungen um die Gesundheitsausgaben nach den Leistungsarten für den Ausgabenträger „Gesetzliche Krankenversicherung“ erweitert werden.
Fußnoten
- 1Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GGRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/die-ag-ggrdl#aufgaben-und-ziele, aufgerufen am 3. Januar 2024.
- 2Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser.
- 3Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser.
- 4Quelle: Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (AG GRdL). https://www.statistikportal.de/de/ggrdl/definitionen-und-methoden aufgerufen am 3. Januar 2024. Hervorhebungen vom Verfasser.
- 5Aufgrund des Wechsels in den Quellen für die Berechnung des Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatzes kommt es in den Jahren 2013 und 2014 zu einem Bruch in der Zeitreihe.
- 6Daten zu den Vollzeitäquivalenten des Gesundheitswesens können erst ab dem Berichtsjahr 2012 ausgewiesen werden.
- 7Zu den Gesundheitsausgaben privater Haushalte zählen beispielsweise Zuzahlungen zu Versicherungsleistungen. Zu den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck zählen beispielsweise Verbände und Vereine, die Leistungen an private Haushalte unentgeltlich oder nicht kostendeckend anbieten (z. B. Sozialverbände).